Weiternutzen statt ersetzen – nach dem Grundgedanken der Kreislaufwirtschaft lässt Swiss Prime Site Immobilien inmitten von Zürich eine Immobilie sanieren, die zukünftig als weiterer Standort für Google Schweiz dienen wird. Das Gebäude wird bis auf die Tragstruktur zurückgebaut und erhält unter anderem von der Aepli Metallbau AG eine neue, offene Fassade – teilweise aus dem recycelten Aluminium ihrer Vorgängerin.
Das Geschäftsgebäude in zentraler Lage in Zürich wurde 1980 erbaut und besitzt ein Gebäudevolumen von rund 86 000 m3. Swiss Prime Site Immobilien konnte das Bürohaus 2018 erwerben. Bis Anfang 2024 wird der Bau derzeit auf insgesamt 26 500 m2 und elf Geschossen innen und aussen umfassend saniert und zu einem modernen Bürogebäude umgebaut. Mit Google Schweiz wird nach dem Umbau eine neue Alleinmieterin an der Müllerstrasse 16/20 die rund 15 000 m2 Bürofläche nutzen. Zur Gesamtsanierung gehören die Erneuerung der Fassade und des Dachs sowie der gesamten Gebäudetechnik. Die Transformation der Liegenschaft wird ganz im Sinne der integralen Nachhaltigkeit und «Circular Economy» durchgeführt. So werden alle abgebauten Materialien, wann immer möglich, verändert, aufbereitet und am Objekt in neuer Form wiederverwendet. Dies spart Transportwege, ist ressourcen- und CO₂-schonend und wahrt die bestehende Identität des Gebäudes innerhalb der Stadt. Das Ziel für den sanierten Bau ist seine Zertifizierung nach Minergie und SNBS (Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz). Dafür kommen unter anderem Photovoltaik sowie eine besondere Verglasung zum Einsatz. Die Wärme- und Kälteversorgung des Gebäudes erfolgt über Fernwärme (Müllverbrennung) und teilweise aus erneuerbarer Energie.
Ein wichtiger Aspekt im Rahmen des Projekts an der Müllerstrasse ist die Wiederverwendung der bestehenden Aluminiumfassade. Die vorhandenen Gussaluminiumplatten werden demontiert, aufbereitet und in neuer Form weitergenutzt: Aus den vorhandenen Platten werden Streifen herausgeschnitten, die rund um das Gebäude für die neue Brüstungsverkleidung eingesetzt werden. Überschüssiges Metall wird für die Gestaltung des Eingangsbereichs eingesetzt. Aus den alten Betonbalustraden der Fassade entstehen unterdessen neue Sitzgelegenheiten. Um dem neuesten technischen Standard zu entsprechen, erhält die Fassade einen neuen Aufbau, bestehend aus einer Aluminium-Elementfassade aus Circal-Aluminium der Firma Wicona sowie grossformatige Scheiben aus dem Sonnenschutzglas eyrise® s350. Dank Flüssigkristalltechnologie ist damit eine dynamische Verdunkelung auf Knopfdruck möglich. Auf diese Weise kann eine übermässige Erhitzung der Innenräume vermieden und die benötigte Kühlenergie tief gehalten werden. Die eyrise®-Gläser sind durch eine Umweltproduktdeklaration (EPD) zertifiziert. Sie werden vollständig in Europa hergestellt, und die Produktionsstätte in Veldhoven nutzt nachhaltige Energie, was sich jeweils positiv auf die graue Energie zur Herstellung der Fassade auswirkt. Verantwortlich für die Entwicklung der gesamten Gebäudehülle ist die Aepli Metallbau AG, welche die total 1082 Stück Fassadenelemente vom Erdgeschoss bis zum sechsten Obergeschoss auch produziert und vor Ort selbst montiert. Alle Elemente werden von der Aepli Metallbau AG pulverbeschichtet.
Die Fassade steht beim Thema Nachhaltigkeit besonders im Blickfeld. Als Schnittstelle zwischen Innen- und Aussenraum birgt sie besonders viel Potenzial für Verbesserungen. Je nach Objekt ist eine Fassaden-Renovation einer der wirksamsten Schlüssel, um ein bestehendes Gebäude aufzuwerten. Das trifft speziell für Metallfassaden zu und gilt ebenso für ihr Erscheinungsbild wie auch für ihre Funktionalität, die langfristig ökologisch verträglich, ökonomischer und komfortabler zu gestalten ist. Mit neuartigen Fassaden, ihren Füllungen und Unterkonstruktionen können heute energiesparende oder sogar energiebringende Lösungen für zeitgemässes Wohnen und Arbeiten geboten werden. Wo zu diesem Zweck neu produzierte Elemente notwendig sind – sei es zur klimatischen oder sicherheitstechnischen Verbesserung –, ist ein möglichst hohes Mass an Langlebigkeit wie auch Recyclingfähigkeit sicherzustellen. Dafür sollte es sich um leicht reversible und homogene Materialverbindungen handeln; das vereinfacht deren Trennung und reduziert auch die Anzahl der Entsorgungswege. So sollen bei der Sanierung einerseits Elemente übernommen sowie andererseits rezyklierte Produkte eingesetzt werden. Nicht mehr Nutzbares wird wiederum in den Zyklus zurückgegeben und für anderweitige Zwecke verwertbar gemacht. Dabei hilft die noch junge Online-Plattform Madaster, die Tools zur Erfassung von abgebautem Baumaterial zur Verfügung stellt. Auch auf der Baustelle an der Müllerstrasse wird der zirkuläre Umgang mit den Materialien in Form eines Pilotprojekts auf der BIM-basierten Plattform nachverfolgt, dokumentiert und damit messbar gemacht. Sämtliche verbauten Materialien und Produkte werden in einem digitalen Materialpass mit Produktinformationen und Standort auf Madaster hinterlegt.
Das Wiederverwerten von Materialien und Bauteilen hat nach Jahren der Skepsis an Fahrt aufgenommen. Nicht zuletzt, da die Politik europaweit die Kreislaufwirtschaft zum Erreichen der Klimaziele dringend einfordert. Der Kreislaufgedanke zielt darauf ab, alle Baumaterialien bei Um- oder Rückbauten von Gebäuden wieder verfügbar zu machen und weiter zu nutzen.
Schliesslich verursacht alleine die Baubranche 84 Prozent des jährlichen Abfallaufkommens in der Schweiz. Gleichzeitig werden europaweit gemäss WWF 65 Prozent des Zements, 33 Prozent des Stahls, 25 Prozent des Aluminiums und 20 Prozent der Kunststoffe für den Gebäudebau verbraucht. Dabei hinterlassen Baumaterialien einen CO₂-Fussabdruck von rund 250 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr.
Zwar setzt in der Bauwirtschaft langsam ein Umdenken ein, das sich verstärkt auf den Kreislaufgedanken stützt. Und die Weiterverwertungsquote von 90 Prozent, wie sie unter anderem in Deutschland erbracht wird, scheint hoch. Doch aktuell kommen nach Angaben von Prof. Dr. Anja Rosen im Atlas Recycling noch «viel zu viele Materialien nicht gleich- oder höherwertig wieder in Einsatz, sondern enden geschreddert als Deponie- und Füllgut – ein Downcycling also». Es handle sich «nicht um echtes Recycling, sondern um sogenanntes Downcycling, also um eine Verwertung mit geringerem Leistungsspektrum gegenüber dem Ausgangsmaterial».
Ein wichtiger Ansatz für die Schweiz ist, den Erhalt von Gebäuden vor ihren Neubau zu setzen. Auch bei der Sanierung sollte jedes Bauteil auf seine Wiederverwertbarkeit geprüft werden. Im Sinne des Recyclings gilt hier, dass alle vermeintlichen Abfälle wieder in Materialien oder Stoffe zerlegt werden können, die erneut nutzbar sind.
Im Hinblick auf die Kreislaufwirtschaft ist Aluminium, ebenso wie Stahl, als Baumaterial besonders prädestiniert, da es einen hohen Materialwert hat und gute Recycling-Eigenschaften. Recycling spielt hier auch deshalb eine grosse Rolle, weil der Bedarf an Rohstoffen durch frisch gefördertes Erz nicht mehr zu decken ist. Wiederum lässt sich Metall als nahezu einziger Baustoff ohne Qualitätsverlust praktisch unendlich wiederverwerten. Darüber hinaus wird durch die Metallrückgewinnung im Vergleich zur Primärproduktion der Energiebedarf je nach Metall bzw. metallhaltigem Produkt um 60 bis 95 Prozent gesenkt. Aluminium als Baustoff der Moderne besitzt ein breites Einsatzspektrum: Aufgrund seiner Langlebigkeit, Korrosionsbeständigkeit und Leichtigkeit wird es fast überall am Bau eingesetzt.
Der stetig steigende Aluminium-Recycling-Anteil, der aus rückgeführten Aluminiumfenstern und -fassaden erzielt wird, wirkt sich positiv auf die Ökobilanzdaten in der KBOB-Liste (sustainblog.ch) aus. Aluminiumfenster und -fassaden sind oft seit den 1950er-Jahren im Einsatz. Werden diese Gebäude gesamtsaniert oder weichen einem Neubau, kann das Aluminium durch Recycling wieder in den Aluminium-Werkstoffkreislauf zurückgeführt werden.
«Circular Economy im Gebäudesektor» WWF
In seinem Hintergrundpapier «Circular Economy im Gebäudesektor» stellt der WWF den aktuellen Stand der Kreislaufwirtschaft in der Bauwirtschaft vor und präsentiert Stellschrauben einer Circular Economy im Gebäudesektor zum Schutz von Klima, Natur und Ressourcen. Zudem zeigt er wegweisende Szenarien und politische Massnahmen auf, mit denen sich der Gebäudebestand erhalten und sanieren lässt und Neubauten von Beginn an zirkulär geplant werden können.
Circular Economy im Gebäudesektor bedeutet:
Quelle: WWF Deutschland: Hintergrundpapier Circular Economy im Gebäudesektor, S. 6–7, November 2022
Hintergrundpapier Circular Economy im Gebaeudesektor
Die Komplettsanierung des Baus an der Müllerstrasse ist ein innovatives Beispiel für ein zirkuläres Projekt im Rahmen eines Bestandsgebäudes und verdeutlicht das grosse Zukunftspotenzial des zirkulären Bauens. Es zeigt unter anderem auf, wie wichtig die Abstimmung zwischen den Akteuren ist, um Nachhaltigkeitsthemen optimal in den Zusammenhang von Baukosten und Terminen zu integrieren.