Die Architektur des 21. Jahrhunderts orientiert sich – im Gegensatz zu vielen anderen Epochen – an der Zukunft. Mit aussergewöhnlichen Ideen stellt sie Fassadenbauer vor immer neue Herausforderungen. Um Ästhetik und Funktionalität aufs Beste miteinander zu verbinden, setzen Architekten im Fassadenbau zunehmend auf Glas.
Dabei entscheidet nicht allein die perfekte Optik, denn Fassaden und Fenster sind extremen Anforderungen ausgesetzt und müssen ihre Qualität auch auf lange Sicht erhalten. Entscheidend sind die zuverlässigen Verbindungen der Bauteile und ihre hoch elastische, wetterdichte Versiegelung. Alle diese «Trümpfe» des Structural Glazing sind nur mit einem fundierten Konstruktions-Know-how und einer fortschrittlichen Klebetechnologie möglich.
Structural-Glazing (SG) oder auch Structural-Sealant-Glazing (SSG) bezeichnet eine Art der Glasfassadenkonstruktion, in der Glasscheiben ausschliesslich durch Verklebungen gehalten werden. Pressleisten können entfallen, Wind-, Sog- und Erdbebenlasten nimmt die Verklebung auf, die Eigenlast der Scheiben wird durch eine verdeckt liegende mechanische Vorrichtung abgetragen. Fenster- und Fassadenelemente aus Glas werden optisch rahmenlos auf einen Adapterrahmen geklebt und dann – ähnlich wie Bilder – in eine Tragekonstruktion gehängt. Dadurch wirkt die Fassade wie eine ebene Glasfläche. Von aussen sichtbare Metallteile sind nicht notwendig, können aber als gestalterisches Element eingesetzt werden. Dabei kann der Planer zwischen verschiedensten Optionen wählen, zum Beispiel: Transparente Structural-Glazing-Fassaden in Einfachverglasung oder mit Isolierglaselementen – oder sogar als Doppelhaut-Fassade. Auch Kombinationen von Glas mit Materialien wie Naturstein, reine oder kunststoffbeschichtete Metalle bieten eine grosse Vielfalt an Gestal-tungsmöglichkeiten. Was als Prinzip einfach klingt, ist im Alltag hoch komplex. Weil jedes neue Objekt immer wieder andere Anforderungen an den Fassadenbauer stellt, gibt es auch keine konfektionierten Lösungen. Darin besteht für innovative Fassadenbauer wie die Aepli Metallbau AG auch eine grosse Chance.
Franco Maglio, bei der Aepli Metallbau AG zuständig für das Structural Glazing, koordiniert sämtliche Prozesse; intern mit einem gut geschulten Team, extern mit Partnern, die auf ihrem Gebiet führend sind. «Wenn es um das Kleben und Dichten unserer Fassadenkonstruktionen geht, arbeiten wir eng mit der Sika Schweiz AG zusammen», erzählt Franco Maglio. «Je nach Projektanforderung und Materialvorgabe sind spezifische Rezepturen und Tests erforderlich. Dies bedingt einen intensiven Austausch mit Sika.» So muss je nach Gewicht des Fas-sadenelements die Grösse und Positionierung der Klebfläche errechnet werden, diese muss mindestens ...kgN/m2 halten (Richtlinie zur SG-Anwendung und Prüfung von SG-Klebstoffen EOTA ETAG No. 002-2004). Ebenso exakt ist die materialspezifische Rezeptur des Klebers zu bestimmen. Während das Glas unabhängig von seiner Beschaffenheit konstante Anforderungen an den Klebstoff stellt, muss das Trägermaterial je nach Beschichtung (z.B. roh, lackiert, eloxiert oder pulverbeschichtet) analysiert werden. Mit ebenfalls von Sika gelieferten Spacer Tapes werden die zu klebenden Glasflächen millimetergenau nach Plan aufgezogen. Nebst ihrer unterstützenden Klebefunktion grenzen die Spacer Tapes den Eintrag des während der Verarbeitung zähflüssigen Klebstoffes ab. Das Eigengewicht der Gläser darf nicht über die Verklebung auf den Rahmen übertragen werden. Es sind geeignete konstruktive Massnahmen zur mechanischen Unterstützung jeder Scheibe zu treffen.
Da sich die beim Structural Glazing zum Einsatz kommenden Silikonbasierten Klebstoffe nicht verfestigen, ist eine zweite Komponente notwendig, die gewährleistet, dass der Klebstoff innert nützlicher Frist trocknet und dann seine volle Wirkung entfalten kann. Gleichzeitig sorgt diese Zusatzkomponente auch für die korrekte Farbe des Klebstoffs, in der Regel Grau oder Schwarz. Diese und weitere Parameter bedingen eine exakte Arbeitsweise in einem relativ engen Zeitfenster. Sind die beiden Komponenten zusammengemischt, muss die Verarbeitung innert sieben Minuten erfolgen; nachher beginnt der Klebstoff zu trocknen. Aus diesem Grund bleiben die beiden Komponenten bis kurz vor dem Kleben strikte getrennt. In einer speziellen Anlage werden sie auf separaten Wegen im erforderlichen Verhältnis in einen Abfüllstutzen mit getrennten Rohren (Mittelrohr und Rohrmantel) geführt. Erst beim Verlassen des Abfüllstutzens werden die Kom-ponenten in einem angesteckten Wabenrohr vermischt und dann in die Leerkartusche der Klebstoffpistole abgefüllt.
Damit der Fenster- und Glasfassaden-Kleber hundertprozentig wirkt, wird er vor der Anwendung nach strengsten Kriterien auf Herz und Nieren geprüft. «Das Mischverhältnis der Komponenten ist klar vorgegeben und bewegt sich in relativ engen Toleranzgrenzen», betont Franco Maglio. Ebenso wichtig ist die sogenannte «Topfzeit»: Der frisch gemischte Silikonklebstoff wird in einen kleinen Becher gegeben. Dann wird er im Fünfminutentakt mit einem Spachtel kräftig durchgerührt. Die Topfzeit bezeichnet die Zeit ab Becherabfüllung bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Klebstoff beim Rühren keine Fäden mehr zieht und standfester wird. Stimmt die Topfzeit mit den Vorgaben des Herstellers (Sika) überein, ist auch dieser Test bestanden.
Für externe Besucher des Metallbaubetriebes, die einmal Structural-Glazing-Luft schnuppern wollen, präsentiert sich der Schmetterlings-Test besonders reizvoll: Der Klebstoff wird auf ein Papier aufgebracht, anschliessend wird das Papier gefaltet und gepresst. Der beim Wiederöffnen der Blatthälften entstandene «Schmetterling» zeigt, ob der Klebstoff absolut homogen durchmischt ist. Kleinste Schlieren oder zarteste Marmorierungen genügen – und der Klebstoff fällt durch. «Denn solche Spuren würden nach dem Austrocknen die Zugfestigkeit und Stabilität des Klebstoffs beeinträchtigen», begründet Franco Maglio die rigorose Kontrolle.
Zu weiteren wichtigen Phasen des Qualitätsmanagements gehört der sogenannte «Raupen-Abschältest». Hier wird sichergestellt, dass sich der Klebstoff nach dem Austrocknen nicht mehr von der Oberfläche der zu testenden Materialprobe löst. Die Klebstoffproben haben die Form einer fetten, ca. 15 cm langen und 1 cm breiten Raupe. Diese «Raupe» darf sich an keiner Stelle von der Oberfläche reissen lassen. Um dies zu prüfen, wird an der Raupe gerissen, dann wird sie mit einem Messer ein kurzes Stück von der Oberfläche angeschnitten. Dieser Prozess wiederholt sich immer wieder, um zu prüfen, ob die Klebstoff-Raupe den Schältest durchgehend besteht.
Ebenso ist die Prüfung der Zugfestigkeit ein Muss: Zwei Prüfkörper werden mit einer ein Zentimeter dicken Klebstoffschicht verbunden. Nach dem Austrocknen werden sie mit einem waageähnlichen Messgerät auseinandergezogen. Dabei wird die minimal erforderliche Zugfestigkeit gemessen. «Wenn der Klebstoff reisst, darf dies keinesfalls am Prüfkörper passieren», hält Franco Maglio fest. «Nur wenn er in der Mitte reisst (Kohäsionsbruch), haben wir die Gewähr, dass er optimal mit dem Oberflächenmaterial verbunden ist.»
Vom Auftragseingang bis zur Auslieferung auf die Baustelle hat jedes Structural-Glazing-Projekt seinen eigenen Zyklus. Rund ums Jahr greifen verschiedene Projekte in unterschiedlichen Stadien ineinander und erfordern eine disziplinierte Arbeitsorganisation. Kaum ist ein Auftrag erledigt, freut sich das Aepli-Team schon auf die nächste Herausforderung. Zurzeit stehen edelschwarz getönte Glaselemente für das Hallenbad Wallisellen auf Paletten bereit, um strukturell verklebt zu werden.